Vorrübergehend wird der Geschichte zu den Rekordmaschinen von www.classic-motorrad.de übernommen, bis ich Zeit dazu gefunden habe meinen Opa ausführlich zu interviewn...

 

Die Angelegenheit hatte höchste Geheimhaltungsstufe. Eingeweiht war nur ein kleiner Kreis, Freunde, die Franz Langer schon seit einer Ewigkeit kannte. Alles Personen, denen er blind vertrauen konnte und die ihn mit Rat und Tat unterstützten. Bereits seit Ende 1999 wurde hinter verschlossenen Türen gewerkelt, schließlich sollte keiner etwas erfahren.  Die Zeit drängte allerdings schon deswegen, weil es die absolute Sensation für das weltberühmte Oldtimer-Treffen in Heckelmannskirchen im Kiebitzgrund werden sollte. Aber auch, weil es um die Ehre ging und da hört bekanntlich der Spaß auf.

Die Rede ist vom größten Einzylinder-Motorrad, das die Menschheit seit Erfindung des Literkruges je gesehen hat. Größer als Franz Langers eigene 958-ccm-NSU und noch viel, viel größer als Comic-Star Werners „Satte Literschüssel“. Und das konnten nur volle zwei Liter Hubraum sein! Aber nicht zerstückelt, geviertelt oder geteilt, sondern in einen einzigen Zylinder gesteckt. Damit ist eigentlich schon alles gesagt, jedenfalls was von Bohrung und Hub zu erwarten war.

 „Angefangen hat die Geschichte bereits in den Fünfzigern, da hatte ich nämlich meine erste NSU-Fox. Zur großen Leidenschaft wurde aber später die Königswellen-OSL und Konsul-Modell“, verrät der sympathische Hubraumfetischist. Und so war bereits bis auf den heutigen Tag die Richtung festgelegt, die sich in einem Satz ausdrücken lässt: „Ich würd` lieber sterben als einen Zweizylinder anfassen“, original Zitat Franz Langer. Im Laufe der Zeit wurde die Bindung zu den NSU-Langhubern immer enger, es gab bald weit und breit keinen mehr, der ihm etwas vormachen konnte. Und weil sich dies rumsprach, hatte unser Titelheld rasch den Spitznamen „NSU-Papst“ weg. Ließe man sich alle seine Streiche erzählen, man könnte ein dickes Buch darüber schreiben. In einem Buch steht er bereits: im „Guiness Buch der Rekorde“. Dort ist nachzulesen: „Franz Langer aus Fulda (D) konstruierte bis zum 5. Dezember 1998 ein Einzylinder-Motorrad mit einem 1000-ccm-Motor“.

Hierbei handelte es sich natürlich um eine frisierte NSU Königswellen-OSL, mit Doppel-Pleuel, 99 mm Bohrung und 111 mm Hub, woraus sich exakt 958 ccm Hubraum ergaben. Doch schon bald hieß es „Selters statt Sekt“, die Freude an dem weltgrößten Einzylinder währte nämlich nicht lange. Werners Dienstkrad aus dem Comic-Film „Volles Roooäää!!! - Fäkalstau in Knöllerup“ fuhr von der Leinwand direkt auf die Chaussee. Leibhaftig als „Satte Literschüssel“ mit 1440-ccm-Einzylinder-Motor. Als Franz Langer von der Geschichte erfuhr, wäre er fast zum Hirsch geworden. Das konnte und durfte sich der „Meister der Königswelle“ nicht gefallen lassen. Pünktlich zum Jahreswechsel 2000, oder auch etwas später, musste unbedingt ein 2-Liter-Hubraumwunder auf den Rädern stehen. Insgeheim war es natürlich auch eine „technische-Kriegserklärung“ an den Norddeutschen Andi Feldmann sowie seine Helfershelfer „Düse“ Traupel und Timm Kröger, die aus schierem Übermut besagte „Satte Literschüssel“ aus Holz, Gummi und Gusseisen zusammengezimmert hatten.

„Auf der Suche nach geeignetem Material wurde ich im letzten Herbst auf der Veterama in Mannheim fündig“, verrät Hubraum-Guru Langer. „Ein gewaltiger Zylinder mit Zylinderkopf und sogar noch mit Kolben, der allein 3,3 kg wog, lag auf dem Tresen. Zunächst glaubte ich, die Teile seien von einem Panzer-Triebwerk, doch Kolben-Spezialist Wahl meinte später, dass die Sachen von einem Flugzeug-Sternmotor stammen müssten. Da der schwere Kolben für mein Vorhaben unbrauchbar war, ließ ich bei Wahle einen neuen mit 146 mm Durchmesser machen, der nur noch 1670 Gramm auf die Waage brachte.“

Um auf die angepeilten 2 Liter Zylindervolumen zu kommen, war ein Hub von 118 mm erforderlich, was eine weitere Herausforderung hinsichtlich des Motorgehäuses, Kurbelwelle und Pleuel bedeutete. Hier konnte sich der Perfektionist auf zwei Freunde verlassen. Der vertikal geteilte Motorblock der NSU Konsul wurde jeweils rechts und links von innen mit angeschweißten 30 und 32 Millimeter starken Alu-Platten verbreitert und anschließend entsprechend bearbeitet. Diese Aufgaben übernahm die Firma Scheller in Oberzeller/Thüringen. Zylinder und Zylinderkopf wurden ebenfalls dem Spezialisten anvertraut. Nachdem die Kühlrippen rigoros abgefräst waren, spendierte  man den Bauteilen großflächigere Wärmeableiter. Der Zylinder bekam 17 Rippen mit jeweils 3 mm Stärke und der Zylinderkopf 10 Rippen mit 4 mm Dicke. Für die Herstellung der Kurbelwelle, Pleuel sowie der Modifizierung des Königswellenantriebes konnte Franz Langer seinen alten Freund und Spezialisten Paul Himmelmann in Fulda gewinnen. Kurbelwelle und Pleuel wurden aus Spezialstahl aus dem Vollen gemacht. Damit war das Gröbste geschaffen, Fein- und Nacharbeiten sowie den Zusammenbau erledigte der NSU-Experte in seiner picobello eingerichteten Heimwerkstatt. Vollkommenes Neuland war die Abstimmung des 1:4,25 verdichteten  Kraftwerkes. Das Auspuffrohr aus Edelstahl misst von vorne bis hinten 75 mm Durchmesser, eine Schalldämpfung  war und ist nicht beabsichtigt. Und das mit gutem Grund. Der Klang soll dem legendären „blub-blub“ eines Lanz-Bulldozer gleichkommen, gibt sich Franz Langer vielversprechend. Weitaus problematischer war die Vergaser- und Zündabstimmung. Rein aus dem Bauch heraus montierte er einen 36er Bing-Vergaser.

Falls jedoch Leerlauf und Gasannahme in der Fahrerprobung nicht richtig funktionieren, liegen bereits andere Vergaser von Bing und Amal mit bis zu 44 mm Durchlass griffbereit. Ebenfalls ein Buch mit sieben Siegeln war die genaue Festlegung des Zündzeitpunktes. Für Meister Langer allerdings auch nicht weiter tragisch. Via Handhebel am Lenker lässt sich der Funkenspender  manuell von 28 Grad vor OT bis 7 Grad nach OT verstellen.

Auf keine Experimente ließ sich der gewiefte Konstrukteur bei der Auslegung des Rahmens ein. Die ehemalige Guzzi-Trapezgabel von 1934 wurde kräftig verstärkt, das ursprüngliche Konsul-Chassis aus den frühen Fünfzigern mit einem 68 x 10 mm dicken vorderen Rahmenrohr bombastisch aufgewertet, dazu alle kritische Stellen mit eingeschweißten Knotenblechen versteift. Das Hinterrad stammt von einer steinalten Harley-Davidson, verfügt aber inzwischen über selbstgefertigte 6 mm starke Messing-Speichen.       

Rund ein dreiviertel Jahr, oder genauer gesagt bis zum Samstag, dem 24. Juni, dauerte die Geheimniskrämerei. Aber sogar der Transport zum Oldie-Treff erfolgte noch unter einer Abdeckplane. Erst gegen 12 Uhr war es endlich soweit, gemeinsam mit dem Clubvorsitzenden Gerhard Hoffmann enthüllte man die „NSU Bison 2000“. Das Volk tobte und gleich darauf folgte der Augenblick der Wahrheit: Wird das Monstrum anspringen, wird Franz Lange die versprochene Ehrenrunde drehen? Und er hat! Ihr Roll-out hat, wenn auch nur für ein paar hundert Meter, die „zwei-Liter-Schüssel“ mit Bravour absolviert. 

Technische Daten - NSU Bison 2000

MOTOR
Luftgekühlter Einzylinder-Viertakt-Motor, Ventilsteuerung über modifizierte Königswelle, obenliegende original Konsul-Nockenwelle und Kipphebel; Einlassventil 70 mm, Auslassventil 52 mm, selbstgemachte Haarnadel- und Schraubenventilfedern. Bohrung x Hub 146 x 118 mm, Hubraum 1975 ccm, Verdichtung 1:4,25;  Bing-Vergaser Ø 36 mm, 12-Volt-Batteriezündanlage, Zündzeitpunkt von 28 Grad vor OT bis 7 Grad nach OT manuell verstellbar.
Konsul-Motorblock durch angeschweißte Aluplatten um 62 mm verbreitert; selbst gefertigte Kurbelwelle aus Spezialstahl, Hub- und Lagerzapfen verzahnt, eingeschrumpft und zusätzlich beidseitig verschweißt; Edelstahl-Pleuel, Pleuelfuß und Kolbenbolzen gleitgelagert. Trockensumpfschmierung, 3,2 Liter, vollsynthetisches Castrol-Öl     

GETRIEBE
Primärantrieb über Kette, verstärkte Konsul-Kupplung und Vierganggetriebe, Endantrieb über Kette

RAHMEN
Modifizierter Konsul-Rahmen ohne Hinterradfederung, vorderes Rahmenrohr 68 x 10 mm, Chassis mit Knotenblechen versteift; verstärkte Guzzi-Trapezgabel; Konsul Vorderrad mit Halbnaben-Trommelbremse, Bereifung 4.00-19; Harley-Davidson Hinterrad mit Halbnaben-Trommelbremse, Ø 6 mm Messing-Speichen, Bereifung 130/90-16; Fahrzeugleergewicht 225 kg

SONDERAUSSTATTUNG
Motorblockschrauben  von 9 auf 12 erhöht, 14 Zylinderfußschrauben plus drei 10er V2A-Zuganker, acht 8er-Zylinderkopfschrauben, zusätzlich wird der Zylinderkopf mit einer Spezialfeder mit 180 kg beaufschlagt;  

Edelstahl-Auspuffrohr, keine Abgasreinigung und keine Schalldämpfung, Sportlenker mit Sportgriffen, handgedängelter Alutank, Einpersonen-Schwingsattel, Hinterrad-Kippständer, Kickstarter